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18.09.2021 bis 23.01.2022

Honoré Daumier

Bürgerliche Idyllen

Ausstellung

Honoré Daumier: En pleine eau (Les baigneuses, Nr. 12), 1847
Am 22. Juli 1830 veröffentlichte die satirische Zeitschrift »La Caricature« die erste Lithografie von Honoré Daumier (1808–1879), welcher der bedeutendste Karikaturist seiner Epoche werden sollte – und der bis heute Maßstäbe setzt. Über 4.000 Lithografien hat er geschaffen, rund 1.000 Holzschnitte, dazu Plastiken und Gemälde. Nach der zensurbedingten Einstellung von »La Caricature« 1835 war es vor allem die 1832 gegründete satirische Zeitschrift »Le Charivari«, in der Daumier über mehr als vier Jahrzehnte eine satirische Kulturgeschichte Frankreichs geschrieben hat.

Politische Umstürze und Umwälzungen begleiteten das Leben und Schaffen Honoré Daumiers: Von der Julimonarchie unter dem Bürgerkönig Louis Philippe von Orléans bis zur Februarrevolution von 1848 und der nachfolgenden, kurzlebigen Zweiten Französischen Republik bis zum Zweiten Kaiserreich unter Napoleon III. Phasen relativer Pressefreiheit wechselten mit Zeiten strenger Zensur. Vor allem durch Daumier wurde die Karikatur in diesen wechselhaften Zeiten, gleich einem Chamäleon, zur Signatur der Epoche: Sie passte ihr Gewand an, doch behielt sie stets ihren Stachel.

Neben den politischen Akteuren, den Jongleuren der Finanz- und Geschäftswelt, war sein Thema die Großstadt Paris – als Brennpunkt gesellschaftlicher Entwicklungen mit Gewinnern und Verlierern, als Symbol für Modernisierung und technischem Fortschritt, als Zentrum von Kunst und Kultur. In seinen zahlreichen Serien hat er oft über mehrere Jahre hinweg einzelne Berufsgruppen, soziale Milieus oder Themen verfolgt und in allen Schattierungen ausgeleuchtet: So Politiker in »Les Représentans Représentés« oder Juristen in »Les Gens de Justice«; das Leben der Menschen von Paris in »Les Bons Bourgeois« oder »Emotions Parisiennes«, ihre häuslichen Szenen in Folgen wie »Moeurs Conjugale«.

Die Sammlung des Museums Wilhelm Busch bewahrt einen großen Bestand an Lithografien von Honoré Daumier, zuletzt 2017 substantiell erweitert durch die Schenkung einer Privatsammlung samt zugehöriger Bibliothek mit dem Schwerpunkt auf Karikaturen zum Thema Justiz. Für die Ausstellung wurden rund 100 Blätter ausgewählt. Sie zeigen die Brüchigkeit der bürgerlichen Welt in einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Zerreißproben um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf.

Daumier erweist sich dabei als Meister in der genauen Beobachtung: Sei es im Aufzeigen der Sehnsüchte der Menschen nach einer – wenn auch nur scheinbaren – Idylle, ihre nicht immer lauteren Versuche, sich Vorteile zu sichern oder sich kleine Freuden im Alltag zu verschaffen.

Daumiers Lithografien sind immer wieder mit Honoré de Balzacs »La Comédie humaine« verglichen worden – gerade durch ihre zeitlosen Einsichten in die menschliche Natur. Dafür schätzten ihn auch schon seine Zeitgenossen: »Denn Daumier, und das ist sein Verdienst, ist sowohl Porträtist als auch Karikaturist, sowohl Historiker als auch Satiriker. Er knetet sein Modell, wie es ihm gefällt, aber selbst in seinen größten Launen respektiert er die Wahrheit. Dort ist er vor allem ein Künstler«, so 1874 der Schriftsteller und Journalist Jules Claretie.

Honoré Daumier: Pygmalion (Histoire Ancienne, Nr. 47), 1842
Honoré Daumier: Ce n'est pas sous l'Empire qu'on aurait dansé comme ça! ... (Tout Ce Qu'on Voudra Nr. 34), 1849
Honoré Daumier: Robert Macaire: La Fortune fait oublier les amis, 1837
Honoré Daumier: Monsieur Arthur (Croquades, Nr. 2), 1851