Neue Direktorin Dr. Eva Jandl-Jörg stellt sich vor / Ausblick 2023 und die Frage: Darf Satire wirklich alles?

10. Februar 2023

„Ich komme in Hannover in ein tolles Haus mit einer großartigen Sammlung“: Im Museum Wilhelm Busch hat sich heute die neue Museumsdirektorin Dr. Eva Jandl-Jörg der Presse vorgestellt und einen Ausblick auf das Jahresprogramm 2023 des Museums gegeben.

Seit dem 1. Februar 2023 ist Eva Jandl-Jörg (50) neue Direktorin des Museum Wilhelm Busch. Die gebürtige Österreicherin hat nach einer Ausbildung in der Glasmalerei in Wien Restaurierung und Konservierungswissenschaften sowie Kulturwissenschaften studiert. Sie unterrichtete an der Universität für angewandte Kunst in Wien und am Mozarteum Salzburg und arbeitete in der Denkmalforschung. Zuletzt leitete sie ab 2016 die ca. 60.000 Werke umfassenden Sammlungen Grafik, Gemälde und Skulptur ab 1800 am Salzburg Museum in Salzburg und kuratierte Ausstellungen.

Jandl-Jörg will das Museum Wilhelm Busch stark in der Stadtgesellschaft verankern, ein junges und diverses Publikum ansprechen und das Haus nutzen, um verschiedene Kunstrichtungen miteinander in den Dialog treten lassen. Das Museum wird unter ihrer Leitung Schwerpunkte auf die Vermittlung, auf neue Ausstellungsformate und Präsentationsformen sowie auf die Digitalisierung der umfangreichen Bestände legen. Dadurch soll ein niedrigschwelliges Angebot für alle gesellschaftlichen Gruppen geschaffen werden. Jandl-Jörg will dafür eng mit Schulen, Hochschulen und Bildungseinrichtungen kooperieren, denn: „Ich verstehe das Museum als einen Ort, an dem für und mit der Gesellschaft gearbeitet werden muss. Dazu gehört auch, dass wir unsere Ausstellungen nicht nur für das Publikum gestalten wollen, sondern sie gemeinsam mit unserem Publikum entstehen lassen.“ Die erste unter ihr entstandene Ausstellung wird am 11. November dieses Jahres eröffnet.

Programm 2023

Bis zum 19. Februar 2023 laufen noch die beiden Ausstellungen Von Haapsalu bis Bullerbü: Die Bilderwelt von Ilon Wikland und Bilderbücher von Pei-Yu Chang.

4. März bis 25. Juni 2023
Alles erlaubt. Politische Karikaturen von Greser & Lenz

Mit der Titanic aufgestiegen, bei der FAZ groß geworden: Seit 1996 zeichnen Achim Greser (*1961) und Heribert Lenz (*1958) gemeinsam Karikaturen. Sie bringen die brennenden politischen und gesellschaftlichen Geschehnisse mit Wortwitz und List auf den Punkt. Dabei ist nichts und niemand vor ihnen sicher: Weder Tagespolitik noch der Sport, die Kunst oder Religion – und schon gar nicht wir alle mit unserer Doppelmoral, unserer Selbstgerechtigkeit oder unserer Begriffsstutzigkeit. Es sind Scherze des täglichen Bedarfs, wie Greser & Lenz selber sagen. Diese Scherze lösen nicht selten kontroverse Reaktionen bis hin zu persönlichen Anfeindungen aus.

Die Ausstellung präsentiert rund 100 Arbeiten der beiden Künstler und ist eine Werkschau der letzten Jahrzehnte. Sie stellt vor allem die als besonders provokant rezipierten Karikaturen in den Fokus. Diese werden durch Leserbriefe ergänzt, die die zum Teil heftigen Auseinandersetzungen um die Pointen dokumentieren. Es stellt sich heraus: Karikaturist*innen sind auch in unserer vermeintlich offenen Gesellschaft mitunter heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Rund 60 historische und zeitgenössische Karikaturen von anderen Künstlern aus der Sammlung Wilhelm Busch korrespondieren mit den Arbeiten von Greser & Lenz und zeigen den langen Weg zur Satirefreiheit und zur Beantwortung der Frage, warum Satire wirklich alles dürfen muss.

In der Ausstellung wird auch die Karikatur Putin privat: „Igor, richten Sie mir ein Blutbad an“ von März 2022 gezeigt, die im Januar 2023 mit dem Karikaturenpreis der deutschen Zeitungen ausgezeichnet worden ist. Das Original befindet sich im Besitz des Museums.

93 Arbeiten der beiden Künstler konnten jüngst mit Unterstützung durch die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Sparkasse Hannover und die NORD/LB Kulturstiftung erworben werden. Die Ausstellung wird gefördert durch die Niedersächsische Sparkassenstiftung und die Sparkasse Hannover.

4. März bis 25. Juni 2023
Günter Mattei: Plakate und Illustrationen

Günter Mattei, 1947 in Österreich geboren, studierte Grafikdesign und lebt als freier Grafiker, Buchgestalter und Illustrator in München. In den 1980er Jahren bereiste Mattei viele karibische Inseln. Bewegt und inspiriert vom tropischen Leben verarbeitete er seine Eindrücke in seinen Karibischen Tagebüchern. Bald entdeckten mehrere Unternehmen der amerikanischen Alkoholindustrie wie Myers’s Rum, Batida de Coco und Bacardi die Kunst Matteis und nutzen diese werbewirksam für sich. Seine tropischen Bilder wurden in den USA und Kanada in vielen Printmedien und Werbeflächen plakatiert. Zudem ließ sich Mattei vom Theater als Gestaltungsraum inspirieren. Die dortige Synthese der Künste passte zu seiner Neugierde und seiner grafischen Experimentierfreude, so dass sich hier schnell eine eindrucksvolle Bildsprache entwickelte.

Jahrelang hat Mattei die Plakate des Münchner Tierparks Hellabrunn entworfen, und seine prägnanten Tierbilder prägten das Bild der Stadt. Das Bild des Schimpansen, der sich eine Banane ans Ohr hält, ist so ikonisch, dass es von vielen Menschen in ganz Deutschland erkannt wird, die nie den Münchner Zoo besucht haben. Die international bekannte, kultige Münchner Schumann’s Bar begleitet Mattei seit Jahrzehnten als „Hausgrafiker“. Seine Schumann’s Barbücher sind bis heute weltweit unerreicht und in viele Sprachen übersetzt.

Interaktion, komplexe Spannungsfelder und scheinbar Unversöhnliches zu interessanten Verbindungen zu bringen – das sind die Entscheidungskriterien für Günter Mattei. Die Ausstellung im Museum Wilhelm Busch präsentiert einen Querschnitt seiner Plakate und Illustrationen aus verschiedenen Schaffensphasen.

7. Juli bis 31. Oktober 2023
Volker Kriegel: Eine Hommage zum 20. Todestag

2023 wäre Volker Kriegel (1943 - 2003) 80 Jahre alt geworden, und zugleich jährt sich sein Todestag zum zwanzigsten Mal. Dies nimmt das Museum Wilhelm Busch zum Anlass, den Künstler in einer großen Ausstellung zu feiern und sein umfangreiches Schaffen zu würdigen.

Volker Kriegel steht in seiner einzigartigen Vielfachbegabung in der Tradition von Wilhelm Busch: Als Jazzmusiker hat er Geschichte geschrieben, zudem war er Autor, Dokumentarfilmer, Illustrator – und vor allem auch ein stilbildender Cartoonist.

Das Museum Wilhelm Busch hält seit 2005 rund 700 Zeichnungen von Kriegel in seiner Sammlung. Ein noch größerer Bestand aus dem Besitz der Witwe konnte jüngst mit Hilfe der Stiftung Niedersachsen, der VHV Stiftung und der Kunst- und Kulturstiftung Sabine Hackerodt erworben werden. Das sind weitere rund 820 Originale, hauptsächlich Zeichnungen, Skizzen und Archivalien im Umfang von rund fünf laufenden Metern, von denen die meisten bisher noch nicht öffentlich gezeigt wurden.

Die Ausstellung bietet einen unterhaltsamen Eindruck in das Schaffen des Multitalents Volker Kriegel, in seine Biografie, in sein Wirken als »Deutschlands Jazz-Gitarrist Nummer eins« sowie als Rundfunkautor. Dafür stehen neben Selbstporträts und tagebuchartigen Skizzenbüchern zahlreiche Archivalien wie Noten, Manuskripte, Tondokumente und Korrespondenzen mit Gesprächspartnern aus Kunst, Musik, Verlagen usw. zur Verfügung.

Der Ankauf der Kriegel-Arbeiten wurde gefördert durch die Stiftung Niedersachsen, die VHV Stiftung und die Kunst- und Kulturstiftung Sabine Hackerodt.

Die Ausstellung wird gefördert von der Stiftung Niedersächsischer Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie der Hannoverschen Volksbank

11. November 2023 bis 28. Januar 2024
Zwei Ausstellungen mit den jeweiligen Arbeitstiteln:
- Oh, oh du fröhliche…. Freude und Schrecken des großen Fests
- Heizt du noch oder frierst du schon? Soziale Kälte bei warmen Füßen.

Im November werden die ersten beiden Ausstellungen eröffnet, die im Team unter der neuen Direktorin Eva Jandl-Jörg entstanden sind.

Wenn es besinnlich sein sollte, kochen oft die Emotionen hoch: Zur Weihnachtszeit lässt sich viel lernen über gesellschaftliche Traditionen, Kommunikation und Streitkultur in Familien, über den allgegenwärtigen Konsumzwang und über das, was wir um des lieben Friedens Willen bereit sind zu opfern. Die Ausstellung Oh, oh du fröhliche…. Freude und Schrecken des großen Fests beschäftigt sich mit diesen den emotionalen Untiefen in einer Zeit die angeblich still ist, aber sehr oft doch nur stressig. Ewig schwelende Familienkonflikte kochen hoch, Erwachsene werden wieder zu Kindern, bis sich – hoffentlich - am Ende doch alle über Geschenke freuen und rund um den Weihnachtsbaum zusammensitzen: Eine Ausstellung für ganze Familien während des ungeduldigen Wartens aufs Christkind oder zur Erholung nach dem großen Streit.

Die zweite Ausstellung Heizt du noch oder frierst du schon? Soziale Kälte bei warmen Füßen stellt Auswirkungen des Ukrainekriegs wie die Energiekrise und die Teuerungsraten für Heizmaterial in einen größeren Zusammenhang und fragt nach dem Zustand von gesellschaftlicher Solidarität. Was steht jedem Menschen an Wärme und Behaglichkeit zu? Wem sind wir bereit zu helfen? Wer erlaubt sich, darüber zu befinden, wer frieren muss und wer nicht? Wer wird unterstützt oder sogar subventioniert, wer schlägt womöglich sogar Profit aus der Krise?

Beide Ausstellungen zeigen überwiegend Werke aus der eigenen Sammlung und werden ergänzt mit historischen und zeitgenössischen Positionen. Jandl-Jörg bei ihrer Vorstellung in Hannover am heutigen Freitag: „Wir werden unsere Ausstellungen künftig mehr mit Werken aus der eigenen Sammlung gestalten. Das ist nicht ausschließlich der im Kulturbereich üblichen finanziellen Anspannung geschuldet, sondern dient auch der Nachhaltigkeit, weil lange Transportwege und Kurierreisen entfallen. Und unsere Sammlung ist so reich bestückt, dass wir sehr viele Möglichkeiten für tolle Programme haben.“

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Direktorin Wilhelm Busch Museum Dr. Eva Jandl-Jörg


Bildnachweis: Andreas Hechenberger

Originaldatei (2,5 MB)